"Der Telenotarzt ist die Zukunft"
Montagnachmittag, 15 Uhr, in Straubing: Dr. Ralf Baumann hat Dienst als Notarzt. Der Facharzt für Anästhesie und Notfallmedizin ist Teil der Besatzung des Rettungshubschraubers Christoph 15 am Klinikum St. Elisabeth. Er ist es gewohnt, innerhalb kurzer Zeit an weit entfernten Einsatzorten zu sein. Doch heute ist das nicht der Fall. Seinen Sitz im Hubschrauber hat er mit einem Bürosessel in der Integrierten Leitstelle Straubing getauscht. Denn Baumann arbeitet als einer von acht Ärzten im Pilotversuch "Telenotarzt Bayern" mit, der seit rund einem Jahr auf Initiative des Bayerischen Innenministeriums und der Krankenkassenverbände im Rettungsdienstbereich Straubing stattfindet.
An seinem Arbeitsplatz ist der 49-Jährige dafür live mit 21 Rettungsdienstteams in den Landkreisen Straubing-Bogen, Deggendorf und Regen verbunden. Er kann also beispielsweise einer gestürzten Rentnerin in Wiesenfelden, die sich den Oberschenkel gebrochen hat, ein Schmerzmittel verordnen, während er parallel dazu Rettungssanitäter anleitet, die bei einem schweren Verkehrsunfall in Osterhofen Hilfe leisten.
Bilder, Vitalwerte, wie Puls und Blutdruck, und viele weitere wichtige Daten werden ihm in Echtzeit auf seinen Arbeitsplatz übertragen und er steht dabei über eine Videoverbindung mit dem Rettungsteam vor Ort in Kontakt. "Am Anfang war ich skeptisch", sagt Baumann. Aber mittlerweile ist der erfahrene Notfallmediziner vom Konzept Telenotarzt überzeugt: "Es funktioniert viel besser, als zu Beginn zu erwarten war."
Telenotarzt schon 740 Mal im Einsatz
Das Modell "Telenotarzt" hat klare Vorteile: Es spart Zeit. Oft sind die Sanitäter vor dem Notarzt am Einsatzort und müssen auf wichtige ärztliche Entscheidungen warten. Heute fordern sie in der Rettungsleitstelle den Telenotarzt an und können so die Zeit überbrücken, bis ein anderer Notarzt sozusagen in Fleisch und Blut vor Ort ist. Ein Segen, denn nicht selten kommt es in Notfällen auf jede Minute an. Aber der Telenotarzt spart auch Ressourcen: In vielen Fällen reicht es, wenn ein Arzt eine Entscheidung, wie das Verabreichen eines Schmerzmittels, trifft, um das Weitere kümmern sich die Sanitäter vor Ort. "Die Rettungsdienstmitarbeiter sind hervorragend ausgebildet und das macht sich bezahlt", erklärt Baumann. Während er ein Team anleitet, kann sich der klassische Notarzt um einen womöglich gravierenderen Fall kümmern.
"Seit dem Start des Projekts war der Telenotarzt über 740 Mal im Einsatz", zieht Gerhard Kleeberger, Leiter der Integrierten Leitstelle Straubing, Zwischenbilanz. Er ist merklich stolz, was hier in Straubing auf die Beine gestellt wurde, und überzeugt davon, dass der "Telenotarzt" für ganz Bayern ein Gewinn sein wird.
Einziges Manko: "In Sachen Mobilfunkabdeckung gibt es leider immer noch ein paar weiße Flecken auf der Landkarte", so Kleeberger. Eine stabile Verbindung zwischen dem Rettungsdienstteam vor Ort und der Leitstelle ist aber die Basis für erfolgreiches Teamwork. Zum Glück werden die "Funklöcher" immer weniger.
Ab Dezember werden die in Straubing gesammelten Erfahrungen ausgewertet. Bis September 2019 soll dann entschieden werden, ob das Modell in ganz Bayern umgesetzt wird. Für Dr. Ralf Baumann besteht da mittlerweile kein Zweifel mehr: "Der Telenotarzt ist die Zukunft."
Quelle: PNP.de