Eine Reise durch die Zeit
Wie der Unfall eines kleinen Jungen das Rettungssystem revolutionierte
Wir befinden uns in den 60er Jahren im Landkreis Kronach. Die dortige ehemalige Synagoge diente in den Anfangsjahren dem Bayerischen Roten Kreuz als Stützpunkt. Nach heutigem Maßstab dienten antiquierte Einsatzfahrzeuge mit geringster Ausstattung und nur einem ehrenamtlichen Helfer an Bord als "Sanka". Die Helfer fuhren Einsätze mit reinen Transportfahrzeugen, die medizinische Versorgung beschränkte sich auf wenige Maßnahmen. Wurden weitere Helfer benötigt, rückten diese Ehrenamtlichen von zu Hause nach. In jedem Stützpunkt, gab es einen eigenen Telefonisten, der die Anrufe entgegennahm und wenn nötig weitere Helfer organisierte.
Da die Einsätze nicht zentral koordiniert wurden, kam es immer wieder vor, dass mehrere Fahrzeuge zum gleichen Einsatz unterwegs waren ohne es zu wissen. Eine zentrale Notrufnummer gab es nicht, denn jede Rettungswache hatte eine eigene Rufnummer.
Dies kostete 1969 auch einem kleinen jungen das Leben. Björn Steiger wurde von einem Auto erfasst und schwer verletzt. Die unverzüglich alarmierten Rettungskräfte trafen eine Stunde später an der Einsatzstelle ein. Zu spät für den kleinen jungen, dieser war bereits verstorben als die Rettungskräfte eintrafen.
Die Eltern des Jungen konnten sich mit dieser Situation nicht abfinden und setzten sich das ehrgeizige Ziel für ein flächendeckendes und einheitliches Notrufsystem und Rettungswesen in Deutschland zu kämpfen. Nur wenige Jahre später konnte die Björn-Steiger-Stiftung erste Erfolge verbuchen....
Mehr dazu unter Björn-Steiger-Stiftung
Das Notrufsystem 73
Das Notrufsystem 73 galt als moderner Wegbereiter für die Errichtung von zentralen Notrufannahmestellen.
Auf Initiative der Björn-Steiger-Stifung wurden ab 1973 die Notrufnummern 112 / 110 bundeseinheitlich eingeführt. Telefonzellen wurden mit Notrufmeldeeinrichtung ausgestattet und in vielen Städten und entlang von Bundesstraßen wurden Notrufsäulen aufgestellt.
Im Jahr 1974 wurden die Rettungsdienstbereiche durch die Ausführungsverordnung des Bayerischen Rettungsdienstgesetztes strukturiert und festgelegt. Für jeden Rettungsdienstbereich wurde eine Rettungsleitstelle errichtet. Die Koordinierung der Feuerwehr war damals in Bayern noch bunt gemischt. In größeren Städten/Landkreisen gab es durchaus eigene Feuerwehreinsatzzentralen während im ländlichen Raum häufig die zuständige Polizeieinsatzzentrale die Alarmierung durchführte.
Die erste Rettungsleitstelle in Coburg war im BRK Kreisverband in Coburg in der Sally-Ehrlich-Straße untergebracht. EDV Unterstützung gab es noch nicht. Disponiert wurde mit dem Kopf, nicht mit dem Computer!Die Notfallmeldungen wurden auf einem Formular eingetragen, mit der Stempeluhr eine Nummer aufgestempelt und an den Funker übergeben. Auf dem Bild oben rechts sind die hierfür nötigen Utensilien zu sehen.
Einweihung der Rettungsleitstelle Coburg in der Callenberger Straße
Wir machen einen riesigen Fortschritt was Technik betrifft!
Am 03.10.1995 wurde die neuen Räumlichkeiten in der Callenberger Straße eingeweiht. Technisch gesehen damals ein riesiger Fortschritt. Das erste computergestützte und DOS-basierte Dispositionssystem "ARLIS" hielt Einzug und erleichterte die Arbeit der Disponenten erheblich.
Den Rettungsdienst konnte man in dieser Zeit ausschließlich über die "unechte" Notrufnummer 19 222 verständigen. Ende der 90er konnte zumindest eine kleine Verbesserung geschaffen werden, als die Vorwahlfreiheit für die 19 222 vom Gesetzgeber verabschiedet wurde.
Zusätzlich zur Rettungsdienstdisposition wurde von den Rettungsleitstellen in Bayern auch die Vermittlung der Bereitschaftsärzt übernommen bis zur Einführung der KVB Zentralen.
Das Funkmeldesystem hält Einzug
Im Jahr 2003 hat sich vor allem die Funktechnik weiter entwickelt. Mittlerweile hat das FMS-System Einzug gehalten.
Die Vermittlung der Ärzte wurde von den Rettungsleitstellen abgegeben und von eigenen Zentralen der Kassenärztlichen Vereinigung übernommen.
Gearbeitet wurde im 3-Schichtbetrieb. Mo-Fr jeweils drei Disponenten im Früh- und Spätdienst, zwei Disponenten nachts. Am Wochenende waren alle Schichten mit jeweils nur zwei Disponenten besetzt.
Von der Rettungsleitstelle zur Integrierten Leitstelle
Spatenstich in Ebersdorf bei Coburg
Im März 2009 fand der Spatenstich in Ebersdorf bei Coburg statt.
Anfang 2010 konnte das Gebäude seiner Bestimmung übergeben werden.
Eine neue Zentrale entsteht
Am 25. Juli 2002 wurde ein Gesetz verabschiedet, dass den Weg bereitetet für eine gemeinsame Einsatzzentrale für Feuerwehr und Rettungsdienst.
Nachdem Spatenstich im Jahr 2009 und der Fertigstellung des Gebäudes Anfang 2010 Begann der Einbau der Leitstellentechnik. Im ersten Halbjahr 2010 konnten dann bereits die ersten Schulungen und Einweisungen der Disponenten erfolgen.
Vor Inbetriebnahme der neuen Zentrale wurde am 06. Juni 2010 der erste "Tag der offenen Tür" abgehalten. Die Mitarbeiter wurden vom riesigen Besucherandrang schlichtweg überrannt. Neben einer großen Fahrzeug- und Geräteschau fanden die Besucher vor allem den Einblick in die neue "Einsatzleitzentrale" sehr spannend. Als kleines Highlight stand der Besuch eines Rettungshubschraubers am Nachmittag auf dem Programm. Der Besuchertag blieb nicht nur unseren Mitarbeitern, sondern auch allen Besuchern lange in guter Erinnerung.
Am 01.07.2010 startete in Ebersdorf bei Coburg der Testbetrieb mit der Alarmierung des Rettungsdienstes.
Nach erfolgreichem Abschluss der Testphase, wurde im August 2010 der Wirkbetrieb aufgenommen. Von da an lief sowohl die Notrufabfrage für Feuerwehr und Rettungsdienst, als auch die Alarmierung zentral aus einer Hand.
Der Digitalfunk hält Einzug
Wie sich vielleicht einige erinnern können, sollte der Digitalfunk ja bereits zu einer Fußballweltmeisterschaft in der nahen Vergangenheit implementiert sein.
Dieses Projekt ließ sich jedoch damals nicht realisieren, so dass sich die Einführung des Digitalfunkes ein paar Jahre verzögert hatte. Schließlich begannen die Planungen und vorbereitende Maßnahmen in unserem Leitstellenbereich im Jahr 2012.
Hierzu wurde eine eigene organisationsübergreifende Projektgruppe gegründet, die sich mit der Planung aller nötigen Maßnahmen befasste. Die Projekgruppe befaste sich vor allem mit der zu beschaffenden Technik, der Erstellung des Fleet-Mappings und des taktischen Nutzungskonzeptes.
Für jede Organisation, jedes Fahrzeug, jeden Einsatzleiter und natürlich auch für die Leitstelle, galt es eine ausreichende Anzahl an Endgeräten zu beschaffen.
Der erweiterte Probebetrieb konnte ohne größere Probleme 2015, wie in den Planungen vorgesehen, starten. Im Probebetrieb sollten fanden umfangreiche Schulungen und Einweisungen statt. Ziel war es den Anwendern die neuen Endgeräte an die Hand zu geben und den Umgang mit diesen vertraut zu machen.
Da auch der Probebetrieb größtenteils ohne schwerwiegende technische Störungen über die Bühne ging, erfolgte der endgültige Startschuss für den Digitalfunk Mitte 2016.
Seither gab es nur wenige kleinere Störungen im Digitalfunknetz. Die teilweise gefürchteten großflächige Ausfälle blieben bisher aus.