"Lebensrettung übers Telefon" - Berichterstattung aus dem Straubinger Tagblatt vom 05.07.2023
Lebensrettung übers Telefon
Der Herz-Kreislauf-Stillstand kommt im Schlaf. Die Ehefrau reanimiert den Partner unter Fern-Anleitung aus der Rettungsleitstelle. Auch weil die Helferkette perfekt funktioniert
Von Andrea WeidemannDie Ehefrau bewahrte kühlen Kopf und reanimierte per Fern-Anleitung aus der Integrierten Rettungsleitstelle Straubing – Notarzt und Rettungskräfte kamen trotz schwieriger Anfahrt innerhalb weniger Minuten. Und im Klinikum wurde sofort nach Einlieferung optimal behandelt: Diesem perfekten Ineinandergreifen aller Helfer verdankt ein 61-jähriger Elektromeister aus dem Landkreis Deggendorf sein Überleben nach Herz-Kreislauf-Stillstand.Es ist der 4. Februar 2023. Das Ehepaar Bühler aus Finsing, Gemeinde Neuhausen-Offenberg, ist bereits schlafen gegangen. Gegen 23 Uhr bemerkt die Ehefrau von Robert Bühler, dass ihr Mann röchelt und schließlich aufhört zu atmen. Es ist 23.06 Uhr. Sie handelt sofort, greift zum Telefonhörer, wählt die 112. Der Mann am anderen Ende der Leitung heißt Lucas Götz, seit drei Jahren hauptamtlicher Mitarbeiter der Integrierten Rettungsleitstelle in Straubing. Bereits um 23.08 geht der Alarm bei Notarzt und Rettungsdienst ein, parallel dazu beginnt Lucas Götz mit der telefonischen Reanimation.„Zunächst einmal gilt es, beruhigend auf den Anrufer einzuwirken und ihn soweit zu bringen, dass er alle notwendigen Informationen geben kann“, erklärt er fünf Monate später beim Treffen aller an diesem Abend beteiligten Rettungseinheiten mit dem damaligen Patienten. Neun Minuten lang hat Lucas Götz die Frau von Robert Bühler instruiert, neun Minuten lang hat er ihr – einem minuziösen Leitfaden folgend – vom fernen Straubing aus geholfen, dem eigenen Partner mittels Herzdruckmassage das Leben zu retten.Um 23.17 Uhr treffen gleichzeitig die Feuerwehr Neuhausen und der Notarzt samt Fahrer ein, wenig später ist der Rettungsdienst vor Ort. Sie übernehmen die weitere Stabilisierung des Patienten. „Bereits nach 30 Minuten kann Robert Bühler im Schockraum des Donau-Isar-Klinikums Deggendorf angemeldet werden“, rekapituliert Christian Ernst, Ärztlicher Leiter des Rettungszweckverbandes Straubing, den Verlauf des Einsatzes. Und kurz darauf habe Oberarzt Reinhard Glanzer die für die Diagnose notwendige Katheteruntersuchung eingeleitet.Nach Stents und Reha wieder voll im Leben„Ich hatte einen Herzinfarkt und habe drei Stents gesetzt bekommen“, berichtet Robert Bühler. Ansonsten… „weiß ich nichts. Ich war nicht dabei, bin erst zwei Tage später auf der Intensivstation zu mir gekommen.“ – Wie es ihm heute, Anfang Juli, geht? – „Gut“, sagt er. Er sei vier Tage im Krankenhaus gewesen, zwei Wochen später dann für drei Wochen auf Reha gekommen. Schäden, Beeinträchtigungen habe er nicht, sei wieder voll arbeitsfähig. „Ich bin Mechaniker – die Herzmechanik funktioniert wieder“, erklärt er lakonisch. – Das Treffen am Feuerwehrgerätehaus Neuhausen nutzt er, um allen, die damals an seiner Rettung beteiligt waren, Dank zu sagen. Ihnen und, ja, auch all den anderen, die – so formuliert es Markus Mühlbauer, Rettungsdienstleiter im Landkreis Deggendorf – „mehr tun als ihre Pflicht“.Neben den Neuhausener Feuerwehrlern sind an diesem Abend auch die Rettungskräfte des BRK vor Ort. Bühlers Hausarzt, der Internist und Notfallmediziner Matthias Faigl, zugleich Lehrgangsleiter bei der FFW Neuhausen, ist anwesend, stellvertretend für seinen Oberarzt ist Chefarzt Martin Giesler vom Donau-Isar-Klinikum gekommen, die Feuerwehren im Landkreis repräsentiert Kreisbrandrat Erwin Wurzer, den Rettungsdienst der Landkreise Straubing, Deggendorf und Regen, Christian Ernst.„Dass jemand auf dem Land einen Herz-Kreislauf-Stillstand ohne jegliche Schäden überlebt, kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten genau wissen, was zu tun ist. Wenn jedes Rädchen ineinandergreift“, macht Letzterer klar. Darüber hinaus sei Robert Bühler lebendes Beispiel dafür, dass sich das, was all diese Einsatzkräfte tun, bezahlt macht, dass es im Gesundheitswesen nicht nur Negativschlagzeilen gibt, sondern auch Erfolge. Erfolge, erzielt von Menschen, die mit Herzblut ihre Arbeit machen. Doch die Laienhilfe, glaubt er, könne noch ein Stück stärker werden. Um die Region „herz-sicherer“ zu machen, habe er 2020/2021 gemeinsam mit der Feuerwehr-Führungsgruppe die Aktion „Kampf dem Herztod“ ins Leben gerufen. Und im Raum Straubing zum Beispiel gebe es bereits die „Helfer-App“, entsprechende Überlegungen und erste Gespräche gebe es auch für den Landkreis Deggendorf.Auch bei der Feuerwehr ist man gewillt, die entsprechende Ausbildung voranzubringen. „Unser Verband verfügt zum Beispiel über zwei Defi-Puppen“, berichtet Kreisbrandrat Wurzer. Und der Neuhausener Kommandant Robert Wagner ergänzt: „Bei uns gibt es einmal im Jahr eine Reanimationsübung, einmal im Quartal eine Sanitätsübung, bei der es unter anderem um Wund- und Traumaversorgung sowie die Betreuung von Patienten und Angehörigen geht.“Helfer blitzschnell vor Ort – trotz GlatteisDer Einsatz für Robert Bühler jedenfalls sei nicht die erste erfolgreiche Reanimation unter Mitwirkung der Feuerwehr gewesen, versichert Christian Ernst. So wie es im Übrigen auch nicht die erste erfolgreiche Reanimation mittels telefonischer Anleitung war. „Es gibt Zeiten, da passiert das täglich“, sagt Lucas Götz. In diesem Fall allerdings sei das Zeitintervall vom Notrufeingang bis zum Eintreffen der Rettungskräfte außergewöhnlich kurz gewesen, zumal an diesem Abend Glatteis herrschte. Und gut auch, dass letztlich acht Helfer vor Ort waren, denn: „Bei so einem Einsatz braucht man jede helfende Hand!“